14. Juni 2008 – 524 Seemeilen bis HonningsvÃ¥g
…aber so weit ist es noch nicht. Gegen 8 uhr kommen wir in Longyearbyen, der Hauptstadt von Spitzbergen an. Zwei Tage habe ich mir die Augen rausgeguckt, um einen Eisbären zu sehen, nix war’s! Aber heute…
Doch erst mal der Reihe nach. Schon nach der Abfahrt in Bremerhaven wurden wir darauf hingewiesen, daß in Longyearbyen ein zusätzlicher „Ausflug“ ins Programm genommen wäre, um vom weit entfernten Hafen in die Stadt zu gelangen. Es konnte also für 15 Euro eine Fahrt mit dem Bus gebucht werden. Bei vielen Gästen hat’s geklappt, bei mir und Uwe nicht, denn ich war schon mal da. Auch damals, mit einem anderen Schiff und Veranstalter, die gleiche Ankündigung der angeblich „nötigen“ Busfahrt. Da ich aber wußte, daß der Weg in die Stadt vielleicht einen oder maximal zwei Kilometer beträgt, sind wir natürlich gelaufen, was uns in die Lage brachte, auch der örtlichen Kirche einen Besuch abzustatten, an der der Bus mit den abgezockten Gästen nur vorbei donnerte.
Auf das Schuhe ausziehen, um das mittels großem Schild und zwei großen Regalen mit Haus-Schlappern gebeten wurde, haben unsere Mona Lisa-Proleten im Großen und Ganzen verzichtet und haben die Räumlichkeiten mit ihren Straßenschuhen verdreckt. Wahrscheinlich die gleichen, bei denen zu Hause man nur in Socken in die Wohnung darf. „Hauptsache mir geht’s gut, also Ellenbogen raus, Augen zu, und durch“ war unser Eindruck.
Durch ein sehr schönes Gemeindezentrum, in dem Postkarten, Kalender des örtlichen Fotoclubs und Bücher verkauft wurden, gelangt man in den eigentlichen Kirchenraum mit einem schönen, modernen Altarbild. Die Cafeteria im Gemeindezentrum war leider nicht besetzt, aber wir hatten endlich unseren ersten Eisbären gesehen, der ausgestopft am Fenster stand. (Ihn habe ich dann später auf dem Schiff zur gestern gezeigten Postkarte verarbeitet, um die Daheimgebliebenen ein wenig zu verblüffen.)
Wir sind, nach einer kurzen Besinnungsphase, weiter spaziert, nicht ohne uns ein bis zwei der wunderschönen Kalender, sowie eine Postkarte gekauft zu haben. Ganz der nordischen Mentalität und dem Vertrauen entsprechend, die ich bei vielen Skandinavien-Urlauben vorher schon so oft angenehm kennen gelernt hatte, konnte man den Preis für die Mitbringsel einer Preisliste entnehmen und das Geld einfach in ein offenes Körbchen legen.
Ich hoffe nur, daß es nicht in einem Geldbeutel eines der Schiffsproleten entschwunden ist. So wie die sich aufgeführt haben, wäre das vermutlich kein Wunder.
Die Stadt wurde als Bergbaustadt von einem Amerikaner Namens John Munroe Longyear gegründet. Ihm zu Ehren heißt die Stadt nun so.
Auch das Denkmal in der 100 Meter langen Fußgängerzone erinnert an diese Bergbauzeiten. Heute wird auf Spitzbergen hauptsächlich noch von den Russen in Barentsburg Bergbau betrieben.
Viel hat sich seit meinem letzten Besuch nicht verändert. Nur das Internet-Café gibt’s nicht mehr – das Haus wird gerade umgebaut. Der Papp-Eisbär hinter dem Fenster eines Einkaufsladens ist auch nicht mehr da.
Überall stehen die Schneescooter rum, die bis auf die wenigen Hochsommermonate das Hauptverkehrsmittel auf der Insel darstellen.
Waffen dürfen beim Briefmarken kaufen in der örtlichen Post immer noch nicht mitgenommen werden.
Nur die Häuser sind seit 2003 deutlich bunter geworden. Überhaupt wurde viel gebaut und die Einwohnerzahl hat anscheinend auch deutlich zugenommen. Heute leben fast 2000 Einwohner in der Stadt.
Heute lebt die Stadt hauptsächlich von Forschung und vom Tourismus. Wir haben das an zwei Dingen besonders gut sehen können:
1) Neben einer Galerie steht eine Halterung mit vielen Bambus-Stöcken, deren Einsatzzweck man sich auf den ersten Blick nicht erklären kann. Erst wenn der geneigte Tourist das Schild liest, klärt sich die Situation. Ein Klick auf das kleine Bildchen rechts lässt auch den Leser dieses Blogbeitrags teilhaben.
Die Art der Erklärung und ihre Bebilderung finde ich einfach nur süß.
2) fand, just als wir in der Stadt unterwegs waren, der nördlichste Marathon der Welt, der Spitzbergen-Marathon statt. Wir haben uns noch gewundert, als ein Radler mit geschulterter Flinte und hinter ihm ein Läufer in strammem Tempo an uns vorbeizogen. Das kann doch nicht sein, dachten wir uns, daß hier die Sportler mit Waffengewalt zu Höchstleistungen gezwungen werden…
Es war der Spitzenreiter des Marathons, wie wir dann von Streckenposten und Sanitätern am Straßenrand erfahren haben. Da die Strecke über freies Gelände führt, muß natürlich für den Schutz der Läufer vor den Eisbären gesorgt werden. Einen, der mich an meine eigene Heimat erinnert hat, habe ich dann noch für’s Reisetagebuch fotografiert.
Trotz seiner Verkleidung war er relativ weit vorne mit dabei. Ich wünsche ihm, daß er’s zumindest noch auf’s Treppchen geschafft hat. (Der Maßkrug war übrigens aufblasbar und aus Plastik).
Schließlich wurde die Zeit knapp und wir sind wieder zurück zum Dampfer spaziert, der während der ca. 4 Stunden Liegezeit wenigstens äußerlich wieder „auf Hochglanz“ gewienert wurde. Der Entertainer unter den Matrosen zeigt uns, wie man mit Gartenschlauch und einer geschickt gebundenen Schlaufe Fenster putzen kann.
Als gegen 11:30 Uhr alle an Bord sind, legen wir ab und es geht los in Richtung Norwegen, nach HonningsvÃ¥g und zum Nordkap. Wir genießen an Deck die Sonne und die wunderbare Landschaft Spitzbergens, froh, daß der heutige Tag neben Freizeit an Land und Spaziergang auch ausgiebig Gelegenheit zum Fotografieren enthielt.